Kristina Brunner mit Schwyzerörgeli und Cello.

Kristina Brunner: Auf zu neuen Ufern, ohne das Traditionelle zu vernachlässigen

Die Profi-Musikerin Kristina Brunner hat zu Hause und in der «Örgelistunde» gestartet und an der Hochschule in Luzern abgeschlossen. Sie musiziert heute im Duo mit ihrer Schwester Evelyn Brunner. Daneben konzertiert sie häufig mit Albin Brun und wirkt mit in diversen Projekten der «Neuen Volksmusik». Sie unterrichtet Schwyzerörgeli an der Musikschule der Region Gürbetal und der Stadt Luzern. Im Porträt hier spricht sie über ihren Werdegang, ihre Liebe zum Instrument und verrät praktische Tipps.

Hans-Peter Ulrich: Du bist studierte Musikerin, hast jedoch zuvor, wie die meisten von uns, den herkömmlichen Schwyzerörgeli-Unterricht besucht. Wie sieht dein Weg aus von der «Örgelistunde» zur Multi-Instrumentalistin mit Lehrauftrag an der Hochschule?
Kristina Brunner: Das Schwyzerörgeli prägt mein Leben seit frühster Kindheit. Meine Schwester und ich hörten diese Musik rauf und runter, sei es ab CD oder wenn unser Vater zu Hause musizierte. So war es naheliegend, dass wir mit der Zeit das Instrument auch spielerisch ausprobierten und mithilfe unseres Vaters erste Stücke lernten. Die Musik war also seit jeher sehr präsent bei uns. In der Primarschule durften wir dann den Unterricht bei Louise Keller und ab der Oberstufe bei Daniel Marti besuchen. Sowohl der Unterricht als auch das Musizieren mit der Familie an vielen schönen Anlässen haben uns stark motiviert.
Später kam bei mir noch das Cello als zweites Instrument hinzu. Ich lernte neben der Volksmusik auch die Klassische Musik und andere Stilrichtungen kennen. Da ist für mich nochmals eine ganz neue Welt aufgegangen. Ich habe erlebt, wie vielseitig die Musikwelt ist und meine Neugier am Entdecken verschiedenster Klänge wurde entfacht. So begannen meine Schwester und ich, erste eigene Stücke mit Schwyzerörgeli, Cello und Kontrabass auszuprobieren. Es gefiel uns, einen eigenen Ausdruck auf unseren Instrumenten zu suchen. Durch meine Schwester erfuhr ich auch, dass man Musik studieren kann und somit war für mich klar, dass ich meinen beruflichen Weg nach der Matura in diese Richtung einschlagen wollte. Ich studierte zunächst Cello im Profil Klassik mit Schwerpunkt Volksmusik bis zum Bachelor-Abschluss und danach im Bachelor- und Masterstudium Schwyzerörgeli bei Markus Flückiger an der Hochschule in Luzern. Dadurch lernte ich viele Leute kennen, die mich immer wieder inspirierten und auf meinem Weg bestärkten. Auch begegnete ich an der Hochschule Albin Brun, mit dem ich nun seit gut sechs Jahren im Duo unterwegs bin. Viele weitere Projekte ergaben sich während der Studienzeit, die bis heute bestehen. Zudem begann ich während des Studiums auch mit dem Unterrichten. Mir gefällt die Abwechslung zwischen dem eigenen musikalischen Schaffen und der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern. Beides ist für mich wertvoll und so schätze ich mich heute sehr glücklich, den Beruf der Musikerin in seinen vielen Facetten ausüben zu dürfen.

Hans-Peter Ulrich: Wie sieht eine «normale» Woche aus bei dir?
Kristina Brunner: Abgesehen von den fixen Unterrichtszeiten an der Musikschule sieht bei mir jede Woche ganz anders aus. Meist bin ich unterrichtsbedingt montags bis mittwochs im Raum Bern und donnerstags sowie freitags in Luzern unterwegs. An den Wochenenden ist der Aufenthaltsort dann jeweils dort, wo ich Konzerte spiele. Dazu kommen verschiedene Proben, Studio- und Kompositionsarbeiten sowie organisatorische Tätigkeiten. Mein Alltag ist also sehr abwechslungsreich und geprägt von vielen Reisen – dies wenn immer möglich im Zug.

Die Musikerin Kristina Brunner – auf zu neuen Ufern, ohne das Traditionelle zu vernachlässigen.

Hans-Peter Ulrich: Welche Projekte und Bands hast du aktuell am Laufen?
Kristina Brunner: Aktuell sind wir gerade in der Probephase fürs «Ländlerorchester 2024», das ich an der diesjährigen «Stubete am See» uraufführen darf. Das Ensemble besteht neben mir aus sieben weiteren Musikerinnen und Musikern sowie Pedro Lenz, der das Werk mit einigen Textpassagen bereichert. Für mich ist dieses Projekt eine grosse Ehre, da ich abgesehen von der zeitlichen Vorgabe von 45 Minuten alles selbst konzipieren und komponieren durfte. Ein richtiges Abenteuer!
Daneben bin ich nach wie vor hauptsächlich mit meiner Schwester Evelyn Brunner oder Albin Brun im Duo unterwegs. Zudem sind für dieses Jahr noch CD-Aufnahmen mit «Eiger, Mönch & Urschwyz», dem Quartett rund um die Geigerin Maria Gehrig, geplant.

Hans-Peter Ulrich: Was fasziniert dich am Örgeli? Es wäre vermutlich einfacher, eure Musik auf einem Akkordeon oder Klavier zu spielen.
Kristina Brunner: Der Klang des Schwyzerörgelis gehört für mich zu den berührendsten Klängen überhaupt. Ich weiss nicht, ob dies damit zu tun hat, dass ich das Instrument seit meiner frühsten Kindheit höre. Es begeistert mich einfach immer wieder aufs Neue. Auch empfinde ich es als ein unglaublich praktisches Instrument; in wenigen Sekunden ist man spielbereit und es ist leicht zu transportieren. Zudem kommt man durch seinen nicht durchgehend logischen Aufbau beim Improvisieren manchmal auf ganz neue Ideen. Und das klangliche Potenzial ist aus meiner Sicht fast unerschöpflich.

Hans-Peter Ulrich: Zurück zur Hochschule. Wie verträgt sich das, was an einer Hochschule läuft, mit der traditionellen Ländler-Szene, wo viele ohne theoretische Grundlagen nach Stegreif musizieren?
Kristina Brunner: Das verträgt sich aus meiner Sicht sehr gut. Ein wichtiger Teil des Studiums besteht ebenfalls darin, das Ländlerrepertoire und die Spielpraxis zu kennen und zu beherrschen. Das sind die Wurzeln und Grundlagen von uns allen. Da gehört das Stegreif-Spiel unabdingbar dazu. Das Studium ermöglicht eine intensive Auseinandersetzung mit dem Instrument und dessen Geschichte. Es bietet aber auch die Möglichkeit, Neues auszuprobieren und Einblicke in andere Musikwelten zu erhalten. Zusammen mit dem theoretischen Wissen erhält man einen breiten musikalischen Horizont, der für eine berufliche Laufbahn wichtig ist. Das alles steht meines Erachtens jedoch in keinerlei Konkurrenz zur Ländler-Szene. Im Gegenteil, die beiden Szenen können und sollen sich gegenseitig inspirieren.

Hans-Peter Ulrich: Wie übt Kristina? Welche Tipps hast du?
Kristina Brunner: Da sind meine beiden Instrumente sehr unterschiedlich. Mit dem Schwyzerörgeli übe ich oft auch mental, ohne Instrument im Zug. Viele Läufe und technisch schwierige Stellen lassen sich so wunderbar einprägen. Mit dem Cello geht es hingegen mehr darum, auch den Klang und die Intonation zu pflegen. Da ist mentales Üben für mich schwieriger. Grundsätzlich gilt jedoch für mich das, was ich auch allen Schülerinnen und Schülern empfehle: langsam und Abschnitt für Abschnitt kommt man schneller und nachhaltiger ans Ziel! Auch ist es hilfreich, das Üben in den Alltag zu integrieren. Etwa das Instrument immer in Sichtweite zu haben und sich auch mal für nur zehn Minuten dahinterzusetzen. So behält das Ganze eine spielerische Leichtigkeit.

Hans-Peter Ulrich: Was rätst du jungen Menschen, die ähnliche musikalische Ziele verfolgen, wie du sie erreicht hast?
Kristina Brunner: Es ist nicht alles planbar. Als ich mit dem Studium begann, wusste ich noch nicht, wie sich mein Berufsalltag dann irgendwann gestalten würde. Es ist wichtig, eine Offenheit zu entwickeln und sich diese zu bewahren. Manchmal ergeben sich aus einem unscheinbaren Projekt ganz neue und spannende Dinge. Ein zentraler Teil ist auch das «Dranbleiben». Musikerin-Sein erfordert eine hohe Konstanz. Dabei sind Zuverlässigkeit und Fleiss unverzichtbar. Es ist auch sinnvoll, sich nicht zu stark zu verbiegen. Seiner Leidenschaft zu folgen und das zu tun, wovon man überzeugt ist.

Kristina Brunner

Kristina Brunner ist in Thun aufgewachsen und lebt in Spiez sowie Luzern. Seit ihrer Kindheit spielt Kristina Schwyzerörgeli und lernte beim Musizieren in der Familie erste musikalische Grundlagen kennen. Später kam das Cello dazu, dem sie sich bis heute ebenso leidenschaftlich widmet. Nach Abschluss der Matura folgte ihr Musikstudium an der Musikhochschule Luzern, wo sie 2016 das Bachelorstudium mit Hauptinstrument Cello (Schwerpunkt Volksmusik) bei Jürg Eichenberger und Andreas Gabriel abschloss. Darauf folgte das Bachelor- und Masterstudium mit dem Hauptinstrument Schwyzerörgeli bei Markus Flückiger, ebenfalls an der Hochschule Luzern. Im Jahr 2019 endete ihre Studienzeit mit einem erfolgreichen Abschluss. Kristina spielt im Duo mit ihrer Schwester Evelyn Brunner, wo die beiden ihre Kompositionen in verschiedenen Besetzungen umsetzen. Daneben pflegt sie mit Albin Brun eine rege Konzerttätigkeit und wirkt in diversen Projekten der «Neuen Volksmusik» mit. Oft tritt sie solo oder im Duo mit ihrer Schwester auch mit Autoren wie Pedro Lenz oder Franz Hohler auf. Kristina unterrichtet Schwyzerörgeli an der Musikschule der Region Gürbetal und der Stadt Luzern. 2016 erhielt Kristina zusammen mit ihrer Schwester Evelyn den Kulturförderpreis der Stadt Thun.

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