In den sanften Hügeln der italienischen Marken liegt Castelfidardo, eine kleine Stadt, die auf den ersten Blick unscheinbar wirkt. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich ein wahrer Schatz: Castelfidardo ist eine der grossen Geburtsstätten des Akkordeons. Auch für den Schwyzerörgeli-Bau ist Castelfidardo wichtig: Zahlreiche Örgeli-Hersteller beziehen dort einen Teil ihres Materials.
In Castelfidardo gab es in den besten Jahren 13 Akkordeon-Hersteller, die ihre Instrumente in die ganze Welt exportierten. In der Schweizer Volksmusik beliebte Marken wie «Bugari», «Beltuna» und «Paolo Soprani» werden auch heute noch in Castelfidardo produziert. Daneben gibt es viele Zulieferer und Firmen, welche als «White Labeling» hochwertige Instrumente im Auftrag anderer Unternehmen bauen.
Mit «Carini» gibt es sogar ein «Einkaufszentrum» für Akkordeon-Zubehör. Über 2700 unterschiedliche Artikel sind zu haben. Wenn du dort vorn mit dem Einkaufswagen reingehst, kannst du nach der Kasse dein eigenes Akkordeon zusammenbauen 😂
Vom Bauernjungen zum weltberühmten Akkordeon-Bauer
Die Popularität von Akkordeons in Castelfidardo geht auf den Tüftler Paolo Soprani (1844 – 1918) zurück. Angeblich soll er durch einen österreichischen Pilger an eine Kopie des 1829 vom Wiener Cyrill Demian patentierten Akkordeons gekommen sein und so begeistert gewesen sein, dass er mit seinen Brüdern in den Akkordeon-Bau eingestiegen ist.
Die ersten Soprani-Akkordeons waren technisch raffinierter als das Modell aus Österreich und glichen den diatonischen Akkordeons, wie wir sie vom «Langnauerli» kennen:
Die Nachfrage nach «modernen Akkordeons» nahm rasant zu, sodass eine Lösung für eine effizientere Produktion gesucht werden musste. 1863 eröffnete Paolo Soprani seine erste Akkordeonfabrik, gefolgt von einem Verkaufsladen im Jahr 1864. 1872 wurde die Fabrik im Herzen der Stadt Castelfidardo in Betrieb genommen. Und zwar aus einfachem Grund: In der Stadt gab es bereits Strom, was die maschinelle Produktion vereinfachte.
Mechanik und Technik in Meisterqualität
Das Unternehmen von Paolo Soprani war massgebend beteiligt an der Entwicklung des heutigen Akkordeons. Einige Quellen schreiben dem Tüftler gar die Erfindung der Mechanik des chromatischen Knopfakkordeons zu. Dass er die Bass-Mechanik mit 120 Bässen entwickelt hat, gilt als gesichert.
Akkordeon-Museum zeigt die komplette Geschichte
Packend ist die Akkordeon-Ausstellung im «Museo Internazionale della Fisarmonica» (Internationales Akkordeon-Museum). Es sind Akkordeons aus jeder Zeitepoche zu sehen. Auch Erfindungen, die längst verschwunden sind.
Noch mehr? Für das Magazin «Schweizer Volksmusik» (Verbandszeitschrift des Verbandes Schweizer Volksmusik VSV) durfte ich für die nächste Ausgabe einen umfangreichen Artikel zu meinen Erlebnissen und Nachforschungen in Castelfidardo schreiben.