Ein Schwyzerörgeli drucken? Ja, das geht – jedenfalls ein Midi-Örgeli. Und zwar mit einem «3D-Drucker». Jürg Müller aus Nesselnbach (AG), hat dies geschafft, sein erstes ausgedrucktes Midi-Örgeli ist spielbereit.
«3D-Drucker» sind Geräte, die dreidimensionale Objekte drucken können. Jürg verwendet festes, schmelzbares, auf Rollen aufgewickeltes Material mit 1,75 mm Durchmesser. Das Material wird Schicht für Schicht aufgetragen, bis das Objekt fertig ist. Gesteuert wird der Druck über eine am PC angefertigte Datei, in welcher die eigentliche «Intelligenz» und Arbeit liegt.
In zwei Blogbeiträgen berichte ich übers Midi-Örgeli aus dem Drucker. In diesem Beitrag befrage ich Jürg Müller zum Vorhaben, im nächsten Beitrag (erscheint gegen Ende Jahr) berichte ich über meine Spielerfahrungen mit dem technischen Kunstwerk.
Hanspeter Ulrich: Wie bist du auf die Idee gekommen, ein Örgeli zu drucken?
Jürg Müller: Ich wollte das Örgeli aus Holz machen. Aber ich bin ein älterer Mann mit zittrigen Händen. Die 3D-Objekte kann ich am PC erstellen, das braucht keine Feinmotorik und einen billigen Drucker schaffte ich spasseshalber vor zwei Jahren an. Ich probiere gerne neue Technik aus.
Hanspeter Ulrich: Wie muss ich mir als Laie den 3D-Druck vorstellen? Welche Arbeitsgänge waren notwendig, bis du den ersten Druckbefehl erteilen konntest?
Jürg Müller: Zuerst braucht es ein 3D-Objekt. Dazu gibt es viele verschiedene Programme, mit denen 3D-Objekte erstellt werden können. Ich verwende «FreeCAD». In «FreeCAD» kann ich mithilfe der Programmiersprache Python ein 3D-Objekt erstellen. Das ist bei der Veränderung von Parametern sehr praktisch. Nach den Änderungen lässt man das Programm (Skript) ablaufen und man hat das neue 3D-Objekt.
Wenn man das Objekt hat, dann kommt die nächste Herausforderung, nämlich das «Slicen». Damit werden einzelne Anweisungen für jede Druck-Schicht in Maschinen-Befehlen aneinander gereiht. Bei meinen Drucken beträgt die Schichthöhe 0,2 mm. Beim «Slicen» werden alle für den Werkstoff (das Filament) wichtigen Angaben gesetzt: Geschwindigkeiten, Temperaturen, Lüfter-Werte, Füllfaktor und vieles mehr. Für die richtigen Einstellungen muss man ein Gespür entwickeln, und das dauert einige Monate.
Hanspeter Ulrich: Was waren die Herausforderungen? Ich nehme an, dass man keine fertigen Druckdateien für Örgelis herunterladen kann?
Jürg Müller: Wenn ein Druck mehrere Tage dauert, dann kann es vorkommen, dass der Drucker verstopft. Den dann wieder flottzumachen, gelingt mir selten. Dann brauche ich Hilfe. Verbessern konnte ich das, indem ich einen schnelleren Drucker kaufte, der das grösste Teilstück in 10 Stunden druckt, sodass ich ihn während des Drucks im Auge behalten kann.
Vermutlich kann man keine Druckdateien herunterladen, ausser ich stelle meine Dateien aufs Internet. Aber das habe ich momentan nicht vor.
Hanspeter Ulrich: Wahrscheinlich hast du nicht das komplette Örgeli gedruckt. Welche Dritthersteller-Komponenten hast du einbezogen?
Jürg Müller: Das Herzstück, den Balg, kann ich nicht drucken. Den habe ich in Tschechien nach Mass fertigen lassen. Auch elektronische Teile und Metall kann ich nicht drucken. Aber selbst die Knöpfe sind aus dem Drucker.
Hanspeter Ulrich: Auf Facebook habe ich gesehen, dass die Leute sich interessieren, wie so ein Örgeli tönt. Wie wird der Ton generiert? Welche Module sind für die Soundqualität verantwortlich?
Jürg Müller: MIDI (Musical Instrument Digital Interface) heisst das Datenformat und wird zum Beispiel bei Keyboards verwendet. Vor allem der Synthesizer ist für die Soundqualität verantwortlich. Im Örgeli ist zwar ein Synthesizer für einen Kopfhörer verbaut, aber für einen sehr guten Sound sollte man nochmals 500 Fr. investieren.
Hanspeter Ulrich: Wie ist es, auf so einem Instrument zu spielen?
Jürg Müller: Ich weiss es nicht, wie es sich anfühlt, auf dem Örgeli zu spielen, denn ich kann nicht Örgeli spielen. Aber ich möchte mir die Meinungen von Örgeli-Spielern einholen. Dann könnte ich Verbesserungen einfliessen lassen.
Hanspeter Ulrich: Erzeugt dein Örgeli auch unterschiedliche Töne beim Ziehen und Drücken des Balges?
Jürg Müller: Ja, sonst wäre es nicht spielbar.
Hanspeter Ulrich: Und wie ist es mit der Lautstärke? Passt sich die an, wenn man stärker oder weniger stark zieht/drückt?
Jürg Müller: Man kann die Lautstärke für alle Töne gleich laut einstellen oder zwischen fünf verschiedenen Empfindlichkeits-Stufen wählen.
Hanspeter Ulrich: Ist dein Instrument «serienreif» oder willst du noch weiter optimieren? Gibt es überhaupt eine Serie, die du verkaufst? Wenn ja, welcher Richtpreis muss budgetiert werden?
Jürg Müller: Das Luftloch ist noch viel zu klein. Alles andere ist für eine kleine Serie reif. Zuerst brauche ich ein Feedback von Örgeli-Spielern und eine Vorstellung, wie gross die Nachfrage ist. Die Herstellungskosten dürften bei etwa 1200 Franken liegen und der Verkaufspreis bei 1800 Franken. Aber das hängt ganz davon ab, wie preiswert ich einige 3D-Teile drucken kann.