Adrian Gehri

Adrian Gehri – ein Multitalent in der grossen, weiten Örgeliwelt

Trio-Musik, Jodel-Begleit, Örgeli und Saxofon, Grossformation, Langnauerli, Örgeli bauen – es hört nicht auf. Der Emmentaler Adrian Gehri ist ein gefragter Örgeli-Experte und fasziniert mit gefühlvoller Musik. Er ist bescheiden und nimmt sich Zeit für unterschiedlichste Anliegen. Auch für die Interview-Fragen des «Örgeli-Blogs».

Hanspeter Ulrich: Während deiner Teenagerjahre wurde über die Schweizer Volksmusik eher gelächelt. Wie bist du trotzdem aufs Schwyzerörgeli gestossen? Wer hat dich inspiriert?

Adrian Gehri: Wenn ich als kleiner Junge eine Örgeliformation sah, blieb ich wie angewurzelt stehen und beobachtete das Spiel der Musikanten, welches so viel Begeisterungspotential mit sich brachte. Die gespielte Musik konnte ich irgendwie nicht einordnen, es war der ganze Sound, der mich faszinierte. Örgeler spielen frei, nicht nach Noten, Örgeler jamen. Sie kennen einander nicht und können trotzdem zusammen musizieren. Das wollte ich auch. Inspiriert wurde ich wohl am meisten durch die Besuche der Stubeten in Wahlendorf. 

Hanspeter Ulrich: Wenn ich deine private Website durchscrolle, würde ich zusammenfassend sagen: «Ein Multitalent in der grossen, weiten Örgeliwelt». Welche deiner zahlreichen Aktivitäten erfreut dich am meisten? Und warum?

Adrian Gehri: Multitalent nicht gerade… Mir gefällt das Vielschichtige. Es gibt keine Aktivität, die mich mehr erfreut als eine andere. Ich liebe das Vielseitige.
Beim Jodelbegleit ist es das konzertante Auftreten, welches mich fordert. Wie auch das Miterleben eines Jodelfestes, das mir gut gefällt.
Das Chinderchörli begleiten, einfach unbeschreiblich schön. Als Leiter der Grossformation Nachtstärn-Örgeler und Kursleiter begeistert mich die Zusammenarbeit mit Menschen.

Arian Gehri (links im Bild) unterwegs im Trio.

Die Grossformationsauftritte haben ihre eigene Dynamik und werden oft auf anderen Bühnen ausgetragen als die Engagements im Trio. Im Trio schätze ich das flexible und freie Spielen. Bei der Kapelle «hägere» (als Örgeler neben vier Saxofonen) ist meine Aufgabe eine andere und wir spielen wiederum andere Literatur.
Missen möchte ich keine meiner Tätigkeiten. Ganz einfach gesagt, ich habe eine grosse Spielfreude.

Adrian («Ädu») Gehri – zweiter von Links. Hier mit der Kapelle «hägere».

Hanspeter Ulrich: Neben dem gängigen Schwyzerörgeli hat es dir auch das «Vorgängerinstrument», das «Langnauerli», angetan. Was fasziniert dich an diesem einfachen Instrument?

Adrian Gehri: Auch diese Faszination ist vielschichtig. Mich interessiert der Ursprung der Schwyzerörgeli. Wie hat sich dies entwickelt und welche Einflüsse haben zu Veränderung beigetragen? An den historischen Instrumenten begeistert mich das Antike. Zudem habe ich grossen Respekt gegenüber Herstellern dieser Instrumente. Mit einfachsten Mitteln haben sie Instrumente gebaut, die heute noch spielbar sind. Das ist eine wahre Freude. Musikalisch ist es die Einfachheit, mit kleinen Möglichkeiten eine grosse Wirkung zu erzielen. Klanglich unverkennbar – der Klang eines Langnauerörgeli ist speziell schön, urchig und Herz-berührend. Im Verein «Pro Schweizer Langnauer und Stöpselbassörgeli» wie auch als Mitorganisator vom Langnauerörgeli-Treffen setzte ich mich für den Erhalte dieser Instrumente ein, damit das Spiel auf den alten Instrumenten nicht verloren geht und die Melodien weiterleben.

Hanspeter Ulrich: Du bist auch aktiver Jodel-Begleiter, sogar Kursleiter für Jodel-Begleitung. Wie bist du dazu gekommen und wie hast du dir das beigebracht?

Adrian Gehri: Ich wollte nie Jodellieder begleiten 😉 und trotzdem ist es heute eine meiner musikalischen Hauptaufgaben. Wie es begann: Nach dem ich beim Jodlerklub Lyss in der Theatergruppe mitgeholfen habe, fragte mich der damalige Dirigent, Hans Ledermann, ob ich nicht einmal an eine Jodel-Duett-Probe kommen würde, um zu versuchen, die zwei Jodelduette (Christina Wanner & Hans Ledermann / Christina Wanner & Marina Kaufmann) zu begleiten.
An dieser ersten Probe fragte Hans mich, ob ich mir das Begleiten ab jetzt vorstellen könnte. Auf meine noch nicht schlüssige Antwort sagte er mir, dass am Folgetag der Anmeldeschluss für das Eidgenössische Jodlerfest in Luzern sei und sie meinen Namen gerne in das Formular schreiben würden. Ich stimmte zu und wusste, was ich zu tun hatte.
Das Begleiten von Jodelliedern habe ich mir selbst beigebracht. Natürlich hört man Tonträger und versucht, gehörtes zu übernehmen. Oft sagten Jodlerinnen und Jodler, dass ich dies speziell schön mache, obwohl ich nie das Gefühl hatte, etwas anders zu machen als andere.
Und trotzdem verfolgte ich meinen eigenen Stil. Eigentlich ist es viel mehr eine Gefühlssache als eine technisch schwierige Aufgabe. Zuerst gab es zerreissende Berichte an Jodlerfesten, sodass ich dachte, ich höre wieder auf. Bis heute hat sich auch dies verändert, mittlerweile erhalte ich sehr lobende Worte von den Kampfgerichten. Es geht aber nicht um das, die Sparte Jodel begeisterte mich fortan immer mehr. Da ich selbst nicht wirklich singen kann, mische ich als Begleiter sehr gerne in der Szene mit. Die schönsten Auftritte mit der grössten Wertschätzung habe ich zusammen mit den Jodlern erfahren. Konzerte in Kanada, China und Korea. «Phu ja», das dachte ich noch nicht, als ich mit der Liedbegleitung begonnen habe.

Adrian Gehri mit dem Jodelduett AMATO.

Hanspeter Ulrich: Seit 2010 arbeitest du bei «Reist-Örgeli» im Wasen (BE). Was gehört zu deinem Zuständigkeitsbereich? Was machst du besonders gerne?

Adrian Gehri: Ich arbeite bei Reist-Örgeli im Verkaufsladen. Das heisst, ich bin die Kontaktperson zu unseren Kunden. Sei es persönlich, am Telefon oder per Mail. Ich berate Einsteiger bei der Auswahl einer Mietorgel, berate beim Kauf eines gebrauchten Instruments oder berate bei einer Neubestellung eines Reist-Örgelis. Auch hier kommt mir meine Vorliebe, mit Menschen zusammenzuarbeiten, zugute. Kleine Reparaturen kann ich in der kleinen Werkstattecke im Laden gleich durchführen. Grössere Angelegenheiten überlasse ich gerne unseren Mitarbeitern in der Werkstatt.

Adrian Gehri arbeitet bei Reist-Örgeli AG. Meist ist er im Verkaufsladen. Kleinere Reparaturen erledigt er gleich selbst.

Das Stimmen eines Schwyzerörgeli begeistert mich sehr. Eine Stimmung kann so individuell sein und trägt so viel zum Gesamteindruck bei. Bei den Neuinstrumenten bin ich lediglich für die gestemmten Stimmen zuständig, da kommen alle Stimmen ein paar Mal durch meine Hände, bis sie eingebaut werden. Wer diese Arbeit kennt, weiss, dass unzählige Stunden im Stemmen eines Stimmensatzes liegen.
Weitere administrative Arbeiten im Betrieb liegen mir gut. Diese erledige ich oft beiläufig zum Alltag. Ich liebe meine Arbeit, sei es der Kundenkontakt oder die Arbeit an den Instrumenten. Mit fester Überzeugung kann ich sagen: Ich gehöre zu den Glücklichen, die jeden Tag gerne zur Arbeit gehen und Freude wie auch Erfüllung in der Tätigkeit finden.

Hanspeter Ulrich: Seit Jahrzehnten gehören eure Instrumente zu den beliebtesten und qualitativ hochwertigsten Schwyzerörgeli. Was ist euer Erfolgsrezept?

Adrian Gehri: Bei Reist-Örgeli werden keine halben Sachen angeboten. Wenn ein Instrument den Laden verlässt, stellen wir hohe Ansprüche an sämtliche Bestandteile und Fertigung.
Die Kundin, der Kunde hat viele Möglichkeiten, sein Instrument zu personalisieren, klanglich wie auch im Design. Dadurch erhalten die Reist-Örgeli für die Musizierenden einen hohen Identifikationswert.
Einmalig ist der Kundenservice. Anstelle von grossen Werbebudgets investiert die Firma Reist-Örgeli seit Jahrzehnten in die Bedürfnisse und Anliegen der Kunden. Dies führt zu einer wertvollen Kundenbindung, diese wiederum hilft, die Instrumente zu optimieren und weiterzuentwickeln. Bei Reist wird gemietet, getauscht, gehandelt. Ein einzigartiges Zentrum in der Szene. Ich bin stolz, ein Teil davon zu sein. Rezept, denke ich, gibt es keines. Die Verbundenheit und Passion zur Musik sind aber sicherlich ein wichtiger Bestandteil.

Hanspeter Ulrich: Sind Örgelibauer Technologie-Freaks oder Traditionalisten? Ihr baut das kleinste Örgeli mit vollem Tonumfang. In Kürze folgt die erste Serie eines Schwyzerörgelis mit Register, welches das Umschalten zwischen Wienerstimmung und einchörigem Sound ermöglicht. Und trotzdem verzieren geschnitzte Edelweiss- und Kuhsymbole eure Instrumente. Wie vertragen sich Hightech und Tradition?

Adrian Gehri: Ich denke, Instrumentenbauer sind alle Technologie-Freaks und Tüftler sondergleichen. Wenn dies nicht so ist, hat ein Instrumentenbauer bald keine Arbeit mehr. Wichtig ist das Interesse an der Sache, die Freude an der Arbeit und das Erkennen und Umsetzen der Kundenwünsche. 
Du sprichst das Edelweiss und Alpaufzüge an, welche die Schwyzerörgeli zieren. Meine eigenen Instrumente hatten noch nie Blumen drauf. Selbst gefallen mir Holzintarsien besser. Die letzten Instrumente, welche ich erhalten habe, sind sogar ganz abstrakt ohne jegliche Verzierung. Trotzdem verstehe ich unsere Kunden. Viele Schwyzerörgeli-Begeisterte bewegen sich hauptsächlich in folkloristischen Umgebungen, da passen die erwähnten Muster bestens hin.

Ein schlichtes Schwyzerörgeli ohne Folklore-Sujets.

Wie gesagt, bei den Reist-Örgeli wird das Design vom Kunden ausgelesen. Da sieht man schnell, was am besten gefällt und welchen Stellenwert die Verzierung hat. Die Instrumente unterliegen ebenfalls einer Mode. So waren früher Bälge eher rot und heute oft braun oder blau. «Papierbändeli» gefallen mir nicht sonderlich. Trotzdem verkörpern diese zeitlos bis heute ein traditionelles Instrument. Wenn du fragst, ob sich Hightech und Tradition vertragen, sage ich: ganz sicher! Denn die Ansprüche an ein Instrument sind gross. Ein Örgeli von heute ist handlich und leicht. Hat eine grandiose Tonansprache bei geringem Luftverbrauch. Es reist mit um die ganze Welt und muss in allen möglichen klimatischen Regionen funktionieren. Also, auch wenn es traditionell aussieht, ist es ein Hightech-Instrument.

Über Adrian Gehri

Adrian Gehri ist in der Szene als «Ädu» (oder noch kürzer «@u») bekannt. Er wohnt mit seiner Ehefrau Vanessa Herzig und Sohn Michael Rudolf im Wasen (Emmental). Der gelernte Schreiner arbeitet seit 2010 bei Reist-Örgeli AG und ist ein weitherum begehrter Schwyzerörgeler.

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